Der Dekan by Lars Gustafsson

Der Dekan by Lars Gustafsson

Autor:Lars Gustafsson [Gustafsson, Lars]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783446252370
Herausgeber: Carl Hanser Verlag
veröffentlicht: 2016-02-22T00:00:00+00:00


[Textverlust]

– Diese Geschichte beginnt vor langer Zeit. Wie ich vielleicht schon sagte, befehligte ich in Vietnam gleich nach der Tet-Offensive eine Jägerkompanie. Sonst würde ich ja nicht in diesem dämlichen Rollstuhl sitzen.

Eines Tages landeten wir in einer Zone, die kalt sein sollte und sich auch als kalt erwies. Wir unterschieden zwischen kalten und warmen Landungszonen, das heißt solchen, in denen wir nicht sofort beschossen wurden, und solchen, in denen man sein Bestes tat, um uns so schnell wie möglich zu töten. Das waren die heißen Zonen.

Das Prinzip hieß Flächenkrieg, wie Sie sicher wissen, fügte der Dekan mit einem etwas gekünstelten Gähnen hinzu.

Durch die moderne Technologie waren Schützengräben und feste Stellungen etwas, was nur in den Geschichtsbüchern vorkam. Mächtige brummende Wespenschwärme von Helikoptern sollten es ermöglichen, ganze Bataillone mit der darunterhängenden Artillerie einzusetzen, spezielle Helikopter, die aussahen wie eine Art von fliegenden Baugerüsten. Ungefähr so, wie auf das Schachbrett die Spielfigur des Pferdes gesetzt wird.

Es war die große Zeit der modernen, der fliegenden Kavallerie. Die Helikopter flogen wie riesige Heuschreckenschwärme über die grüne Landschaft, aus der Rauch aufstieg, teils senkrecht und teils vom Wind in die Länge gezogen. Ganze Wälder wurden unter den Bombenteppichen der B52 vernichtet, und Verbände in allen Größen und Formaten wurden auf das Schachbrett gesetzt, von Zügen bis hin zu verstärkten Bataillonen. In unterschiedlichen Zonen, kalten oder heißen.

Manchmal waren Feinde da, und manchmal waren sie vollständig leer, so leer, daß die Leere wie ein Krähenschwarm zum leeren Himmel schrie. Und man konnte nie im voraus wissen, was der Fall sein würde. In der Regel gab es Überraschungen. Wenn man absolut sicher war, in einer Zone zu landen, die mit Vietcong gespickt war, konnte es dort ganz still und ruhig sein. Und erwartete man eine Stille, groß wie ein ländlicher Friedhof in der Nacht, konnte es einige sehr gewaltsame Überraschungen geben. Das lag daran, daß die Vietcong praktisch in allen Stäben ihre Spione hatten, Büroboten, Elektriker, Verbindungsoffiziere, was Sie sich nur vorstellen können. Und alle lasen sie unsere Befehle und Karten, und alle machten einen äußerst zuverlässigen und loyalen Eindruck, und jeden Nachmittag konnten unsere Pläne, sauber und mikroskopisch auf die Innenseite des Papiers einer Zigarette geschrieben oder im Strumpf versteckt, übergeben werden. Und nie gelang es uns, sie dabei zu ertappen oder zu stellen.

Sehen Sie, in Vietnam gab es gar nicht so wenig, was unmittelbar an die Hölle erinnerte, an Dantes Hölle und all die anderen. Und das Höllischste war, daß man eigentlich bei keinem einzigen Menschen wußte, woran man war. Ich sage Ihnen: bei keinem einzigen Menschen. Es war wie bei Montaigne: »Freunde! Es gibt keine Freunde!«

Sie wissen vermutlich, was ich meine. Wo war ich stehengeblieben? Ja – bei diesen Landungszonen. Sie konnten sehr verschieden aussehen, aber in der Regel war es eine Lichtung im Dschungel, ein feuchtes Gebiet, voll von Blutegeln und hohem Elefantengras, das ein Versteck bot, aber auch vieles verbergen konnte. Mitunter waren es Lichtungen, die unsere Bomber geschaffen hatten. Wir bombten sie sozusagen frei.

Und manchmal waren sie wie gesagt heiß, es waren also Feinde dort.



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